Sonntag, 8. Februar 2009

Bilderberg Teil 2

Eine interessante Begegnung

1993 veranstaltete die Potsdamer Fördergemeinschaft zur Gründung einer Friedensuniversität in Berlin einen Diskussionsabend. Im Haus der Weltkulturen trafen sich drei Politpensionäre besonderer Art der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger, der frühere sowjetische Botschafter in der DDR, Valentin Falin, sowie Egon Bahr, in den sechziger und siebziger Jahren persönlicher Berater und Chefunterhändler des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt.
Thema der Diskussion waren die Erinnerungen der drei Herren an die große Zeit der deutschen Ostpolitik sowie an die Verhandlungen zum Abkommen über den Status Berlins. Als Moderator fungierte der Journalist Giovanni di Lorenzo, seinerzeit Chefredakteur des Berliner Tagesspiegel





Abb. 1: 1993 in Berlin: Henry Kissinger (2. v. links), Valentin Falin (2. v. rechts) und Egon Bahr (rechts) diskutieren unter der Leitung von Giovanni di Lorenzo (3. v. rechts). Nach dieser Diskussion hatten die Autoren Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit Egon Bahr und Henry Kissinger. Foto: Franz Bludorf

Im Verlauf der - ansonsten gar nicht so besonders erhellenden - Diskussion sprach Henry Kissinger, fast beiläufig, einen vielsagenden Satz aus, dessen Tragweite wohl der Mehrheit der anwesenden Zuhörer nicht bewusst war: �Die vier Botschafter (der Siegermächte des zweiten Weltkrieges, Anm. d. Red.) brauchten über das Berlin-Abkommen nicht viel zu verhandeln. Sie brauchten nur den Text zu unterzeichnen, den die Bilderberger ausgearbeitet hatten.�

Wir jedenfalls wurden bei dieser Äußerung sofort hellhörig. Die Frage, wer die Bilderberger eigentlich sind, kam � natürlich � im weiteren Verlauf der Diskussion nicht mehr zur Sprache. Doch nach dem Ende der Veranstaltung hatten wir die Gelegenheit, mit Egon Bahr und Henry Kissinger noch ein persönliches Gespräch im kleinen Kreis zu führen. Dabei stellten wir den beiden Herren diese Frage direkt � gespannt auf ihre Reaktionen.

Wir wurden überrascht: Abseits des großen Auditoriums hob Egon Bahr zu einer längeren Rede an und erklärte uns ganz ruhig und sachlich, was wir wissen wollten. Nach dem zweiten Weltkrieg, so begann Willy Brandts ehemaliger Chefdiplomat, habe sich spontan ein Gesprächskreis aus europäischen und amerikanischen Spitzenkräften der Wirtschaft und Politik zusammengefunden, um in der Zeit des beginnenden kalten Krieges den transatlantischen Dialog zu beleben. Initiator dieser ersten Gesprächsrunde war Prinz Bernhard der Niederlande, der Ehemann der damaligen Königin Juliana, und folgerichtig fand das erste Treffen dann im Mai 1954 auch im Hotel Bilderberg in der niederländischen Stadt Oosterbeek statt, wodurch die Gruppe zu ihrem Namen kam.





Abb. 2: Das erste Bilderberger-Treffen 1954 in Oosterbeek (Niederlande). Auf dem Podium in der Mitte Prinz Bernhard der Niederlande.

Seither � so Bahr � treffen sie sich einmal im Jahr, jeweils in einer anderen Stadt. Prinz Bernhard fungierte bis 1976 als Chairman der Bilderberger. Es war ursprünglich tatsächlich vor allem eine europäische Initiative, die von niederländischen Industriellen an den Prinzen herangetragen worden war. Heute gehört seine Tochter, die niederländische Königin Beatrix, ebenfalls zu den regelmäßigen Gästen bei den Treffen. Die Bilderberger sind ein exklusiver und in sich geschlossener Kreis, zu dem man nur durch Einladung Zutritt erhält. Das Hotel, in dem sie sich jeweils treffen, nimmt während der Konferenzdauer keine anderen Gäste auf. Auch Journalisten werden weiträumig abgeschirmt, mit Ausnahme von ein paar Auserwählten, die ebenfalls zum erlauchten Kreis der Bilderberger gehören (derzeit u.a. Donald E. Graham, Chef der Washington Post, Hasan Cemal, Chefkolumnist der türkischen Tageszeitung Milliyet und von deutscher Seite Matthias Naas, stellvertretender Chefredakteur der Zeit.

Sie wirken im Hintergrund

Dass die Bilderberger-Treffen jährlich stattfinden, steht außer Frage. Wieso, so fragt man sich aber, hört man dann nie etwas darüber in den Nachrichtensendungen? Bei anderen Gelegenheiten, etwa bei den G8-Treffen oder Weltwirtschaftsgipfeln, scharen sich doch Tausende von Journalisten um die Teilnehmer. Wie gesagt, zum unmittelbaren Konferenzort erhält kein externer Journalist Zugang, und die Teilnehmer selbst verpflichten sich, über alles, was sie im Verlauf der Tagung hören oder sagen, Stillschweigen zu bewahren. Haben sie etwas zu verbergen? Insider wiegeln ab: Es gehe lediglich darum, dass im Verlauf der Konferenz jeder Teilnehmer die Chance haben soll, frei und manchmal auch unausgegoren seine Ideen zu äußern, ohne befürchten zu müssen, dies sofort am nächsten Tag in den Zeitungen zu lesen.

Das mag sein, aber wenn sich eine so große Gruppe bedeutender politischer und ökonomischer Spitzenkräfte trifft, sollte da nicht die Öffentlichkeit auch einen Anspruch auf Information haben?

Es ist unbestritten, dass wichtige Entwicklungen in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg auf Ideen und Initiativen der Bilderberger zurückgehen. Dazu gehört nicht nur das anfangs zitierte Berlin-Abkommen.

Als erstes Resultat dieses neuen Dialogs kam es 1957, drei Jahre nach Gründung der Gruppe, zum Abschluss der Römischen Verträge, also zur Gründung der EWG, dem unmittelbaren Vorläufer der Europäischen Union. Diesen Zusammenhang bestätigte George McGhee, früherer US-Botschafter in Bonn.

Der Club der großen Grauen

Vielfach wird spekuliert, in der Bilderberger-Gruppe träfen sich die bekannten Größen der Weltpolitik hinter verschlossenen Türen. Nichts könnte falscher sein als das.

Wenn man die Teilnehmerlisten der Jahre 2004 und 2005 liest, wird man Namen wie George W. Bush, Tony Blair, Gerhard Schröder oder Wladimir Putin vergeblich suchen. Nur in wenigen Fällen werden aktive Politiker während ihrer Amtszeit zu den Tagungen eingeladen (von deutscher Seite z. B. Bundesinnenminister Otto Schily und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel). Es waren Wirtschaftsführer dabei wie z. B. David Rockefeller, Pepsi-Cola-Chef Indra K. Nooyi, Heather Reisman (Indigo Books & Music Inc.), Vertreter von Shell Oil und BP oder der Daimler-Chrysler-Vorsitzende Jürgen Schrempp, von politischer Seite dagegen eher ehemalige Größen wie Henry Kissinger oder Belgiens früherer Premierminister Jean-Luc Dehaene.


Königin Beatrix der
Niederlande
Henry Kissinger
Etienne Davignon

Otto Schily
Angela Merkel
David Rockefeller

Abb. 4: Einige prominente Bilderberger
Hinzu kommen vor allem �graue Eminenzen� der Weltpolitik, z. B. Richard N. Perle vom American Enterprise Institute for Public Policy Research, eine der schillerndsten Figuren im Umfeld der Bush-Administration. Der bekennende �Falke� Perle gilt als wichtigster Berater von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und dessen Stellvertreter Paul Wolfowitz und ist als solcher auch einer der Architekten des Irak-Krieges gewesen. Auch die Pläne zum NATO-Krieg gegen Serbien sollen im Kreis der Bilderberger entstanden sein. Es ist schon bemerkenswert, welch großen Einfluss auf wichtige Weichenstellungen der Weltpolitik dieser �Club der großen Grauen� besitzt, dessen Mitglieder zum größten Teil keine gewählten Volksvertreter sind und über dessen Aktivitäten der Öffentlichkeit fast nichts bekannt wird.

Sprungbrett für politische Karrieren

Wenn auch die meisten Bilderberger selbst nicht in politischen Ämtern sitzen, gilt die Gruppe doch als wichtiges Sprungbrett für politische Karrieren. Einige Beispiele:

Bill Clinton war als Gouverneur von Arkansas Teilnehmer des Treffens von 1991 und wurde 1992 erstmals zum US-Präsidenten gewählt. Tony Blair wurde ein Jahr nach seiner Teilnahme am Bilderberger-Treffen 1993 in Griechenland Chef der Labour Party. 1997 erfolgte seine Wahl zum Premierminister. Romano Prodi war 1999 eingeladen und wurde noch im gleichen Jahr Chef der EU-Kommission. George Robertson nahm 1998 am Treffen in Schottland teil und wurde 1999 NATO-Generalsekretär. Diese Tatsache sorgte dafür, dass gerade das Jubiläumstreffen 2004 in Stresa (Italien) zum 50. Jahrestag der Gründung der Gruppe besonderes Interesse bei der Weltpresse erweckte. Auf dieser Tagung hielt nämlich der Senator des US-Bundesstaats North Carolina, John Edwards, eine vielbeachtete Rede. Nur einen Monat später berief ihn John F. Kerry zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten.

Die Bilderberger haben in ihrer fünfzigjährigen Geschichte nicht immer auf Sieger gesetzt, wie auch die New York Times konstatiert. Vielleicht muss man zur Durchsetzung bestimmter Ziele auch einmal jemand verlieren lassen?

Zu den Delegierten der Konferenz von Stresa 2004 hatte auch Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Tremonti gehört. Nur wenige Wochen später trat Tremonti von seinem Amt zurück, nachdem er sich in einem Koalitionsstreit um geplante Haushaltskürzungen von Ministerpräsident Berlusconi nicht hatte durchsetzen können. Auch die zwei Skull & Bones Logenbrüder George W. Bush und John F. Kerry veranstalteten für die Öffentlichkeit im Herbst 2004 ein riesiges Wahlspektakel, dessen Ergebnis wir alle kennen. Dies alles zeigt, dass keineswegs alle nationalen oder internationalen Entwicklungen von den Bilderbergern �vorausbestimmt� werden. Zumindest scheinen ihre Mitglieder nicht unantastbar zu sein. Man findet also unter den Bilderbergern ehemalige Politiker, deren Aufgabe es zu sein scheint, zukünftige Politiker aufzubauen. Und wer kümmert sich um die Gegenwart? Die machen sie vermutlich selbst!

Der innere Kreis der Macht
Überhaupt wäre es grundfalsch, in den Bilderbergern eine Art von geheimer Bruderschaft zu sehen. Die Mitgliederliste verändert sich von Jahr zu Jahr erheblich. Oft erhalten auch sehr prominente Politiker nur ein einziges Mal eine Einladung (Bill Clinton z. B. 1991, noch bevor er Präsident war, Helmut Kohl im Jahre 1988. Interessant: genau ein Jahr vor dem Fall der Mauer!). Institutionalisiert sind nur die Treffen, nicht jedoch die Gruppe an sich. Wer bestimmt die Auswahl der Teilnehmer? Hierzu muss man wissen, dass die Bilderberger eine pyramidenförmige hierarchische Organisation haben. An der Spitze steht ein Inner Circle (�innerer Kreis�), der auch den Namen Advisory Group trägt. Diese kleine Gruppe kommt auch zwischen den jährlichen Treffen regelmäßig zusammen und bestimmt die Teilnehmerliste der nächsten Konferenz. Zu diesem inneren Kreis gehören zur Zeit David Rockefeller, der Brite Eric Roll of Ipsden, Mitglied des Oberhauses und Ex-Chef der Warburg-Bank, sowie der deutsche Industrielle Otto Wolff von Amerongen. Die nächste Ebene bildet das Steering Committee (Führungskomitee), auch Outer Circle (�äußerer Kreis�) genannt. Ehren-Generalsekretär ist der Brite J. Martin Taylor von Goldman Sachs International, als sein Stellvertreter fungiert Etienne Davignon von der Societé Generale de Belgique. Hinzu kommt als Executive Secretary die Niederländerin Maja Banck-Polderman, die auch das ständige Bilderberger-Büro in Leiden leitet. Zusätzlich entsenden die Mitgliedsstaaten nationale Vertreter in dieses Gremium, das insgesamt 31 Mitglieder umfasst. Die große Gruppe der eigentlichen Mitglieder trifft sich, wie gesagt, in wechselnder Besetzung nur einmal im Jahr.

Verschwörung oder Lobby?
Man liest über die Bilderberger meist in der klassischen Verschwörungsliteratur. Das ist sicher kein Wunder, wenn eine Gruppe so einflussreicher Personen sich regelmäßig abgeschirmt von der Außenwelt trifft. Dennoch stellen die Bilderberger sicher keine Gruppe von Verschwörern im klassischen Sinne dar, die hinter verschlossenen Türen sinistre Pläne über unsere Zukunft machen. Es ist wesentlich subtiler. Die Bilderberger sind eher eine äußerst einflussreiche Lobby, die daran arbeitet, zusammen mit den eingeladenen Politikern eine Art Grundkonsens über bestimmte Werte herzustellen, die dann von den Politikern umgesetzt werden. Dass dies durchaus nicht immer gelingt, zeigt das Beispiel des Italieners Tremonti. Etwas ketzerisch könnte man jedoch sagen, die Bilderberger tagen nicht nur total abgeschottet von der Öffentlichkeit, sondern auch von der Realität. Zu ihren wichtigsten Grundüberzeugungen gehört natürlich die Globalisierung, und sie vertreten vehement den Standpunkt, es sei unbestreitbar, dass die Globalisierung für die gesamte Menschheit gut und auch populär sei.

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