Dienstag, 3. Februar 2009

Gaza-Krieg fördert Antisemitismus



Eric Hobsbawm verbrachte seine Kindheit in Österreich. Er ist Autor historischer Standardwerke wie "Das imperiale Zeitalter 1875-1914", "Nationen und Nationalismus", "Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts", "Das Gesicht des 21. Jahrhunderts".

Im Jänner 2008 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien


Gaza-Krieg fördert Antisemitismus

Historiker wirft israelischer Führung "nationalistische Blindheit" und militärischen Größenwahn vorEric Hobsbawm verbrachte seine Kindheit in Österreich. Er ist Autor historischer Standardwerke wie "Das imperiale Zeitalter 1875-1914", "Nationen und Nationalismus", "Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts", "Das Gesicht des 21. Jahrhunderts".

Im Jänner 2008 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien.

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London/Berlin - Der britische Historiker Eric J. Hobsbawm wirft der israelischen Führung "nationalistische Blindheit" und "militärischen Größenwahn" vor. Der Gaza-Krieg habe die Zukunftsaussichten Israels verschlechtert und befördere den Antisemitismus in der Welt, schrieb Hobsbawm in einem am Dienstag in der deutschen Zeitung "Junge Welt" abgedruckten Beitrag für die "London Review of Books". "Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem, was gut ist für Israel, und dem, was gut für alle Juden in der Welt ist. Aber bis es eine gerechte Antwort auf die palästinensische Frage gibt, ist und kann es nicht dasselbe sein. Und dies zu sagen, ist heute für Juden unumgänglich", hob er hervor.
"Nationalistische Blindheit und Größenwahn militärischer Macht"
"Israel verliert das internationale Wohlwollen so schnell wie es die Vereinigten Staaten unter George W. Bush verloren, und zwar aus ähnlichen Gründen: nationalistische Blindheit und Größenwahn militärischer Macht", so Hobsbawm. Ebenso wie der Libanon-Krieg 2006 habe der Gaza-Krieg Israels Zukunftsaussichten verdüstert: "Er hat auch die Aussicht für die neun Millionen Juden verdüstert, die in der Diaspora leben.
Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Kritik an Israel bedeutet nicht unbedingt Antisemitismus, aber Israels Regierungshandlungen rufen Scham unter den Juden und heute mehr Antisemitismus als alles andere hervor. Seit 1945 haben Juden, innerhalb und außerhalb Israels, enorm von dem schlechten Gewissen jener westlichen Welt gezehrt, die jüdische Einwanderung in den 1930er-Jahren verweigerte, Völkermord beging oder darin versagte, ihm zu widerstehen. Wie viel von dem schlechten Gewissen, das praktisch 60 Jahre lang Antisemitismus im Westen ausgeschlossen und ein goldenes Zeitalter für die Diaspora produziert hat, ist heute übriggeblieben?"

"Offizielle Rechtfertigungen"

"Drei Wochen lang ist die Barbarei vor einem weltweiten Publikum gezeigt worden, das zugeschaut, sich seine Meinung gebildet und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Israels bewaffneten Terror gegen 1,5 Millionen Einwohner, die seit 2006 im Gaza-Streifen blockiert werden, zurückgewiesen hat. Niemals zuvor wurden die offiziellen Rechtfertigungen für die Invasion offensichtlicher durch die Kombination von Fernsehbildern und Arithmetik widerlegt: (...) Dreizehn Tote auf der einen Seite, 1360 auf der anderen: Es fällt nicht schwer, herauszufinden, welche Seite das Opfer ist. Viel mehr braucht niemand über Israels entsetzliche Operation in Gaza zu sagen. Außer denen unter uns, die Juden sind. In einer langen und unsicheren Geschichte als Volk in der Diaspora hat unsere natürliche Reaktion auf öffentliche Ereignisse unvermeidlich die Frage enthalten: 'Ist es gut oder schlecht für die Juden?' In diesem Fall ist die Antwort unmissverständlich: 'Schlecht für die Juden'". (APA)

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