Freitag, 13. März 2009

Die Logik des Neoliberalismus




Im Sektor der Wirtschaftsforschung gibt es einige Institute, die so etwas wie die Crème de la Crème in der öffentlichen Wahrnehmung darstellen.

So die großen arbeitgebernahen Institute, wie das IW, das DIW, ifo, RWI und andere. Darüber hinaus gibt es einige Forschungseinrichtungen, die aus anderen politischen Lagern heraus agieren oder staatliche Einrichtungen sind, wie die Hans-Böckler Stiftung, das IAB u.a.m.

Methodisch sind die Analysen dieser Institute von allerhöchster Güte, auch im internationalen Vergleich. Auch Erhebungen und alles was zum Bereich des „Research“ gehört, erfolgen nach wissenschaftlichen Standards.

Wo er etwas haarig wird, ist häufig der Bereich der Interpretation der Analyseergebnisse und die mitunter daran anschließende Handlungsempfehlung an die Politik.

Ein schönes Beispiel liefert dafür das IW in Köln, mit einer Pressemitteilung:

Fast 80 Prozent der Hartz-IV-Empfänger sind laut einer neuen Studie bereits länger als ein Jahr auf staatliche Hilfe angewiesen. Trotz des beispiellosen Aufschwungs auf dem Arbeitsmarkt ist die Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten nach wie vor ein ungelöstes Problem.

Im Dezember 2007 bezogen acht von zehn Empfängern des Arbeitslosengelds II die staatliche Unterstützung mindestens zwölf Monate am Stück. Das ergab eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Jeder zweite Bezieher blieb sogar noch deutlich länger auf Unterstützung angewiesen: Drei von sechs Millionen Menschen bekamen das Arbeitslosengeld II durchgehend seit seiner Einführung im Januar 2005. Fast jeder fünfte Deutsche hat in dieser Zeit mindestens einen Monat lang auf die Hilfe zurückgreifen müssen.



Die jüngsten Erfolge auf dem deutschen Arbeitsmarkt gingen also an vielen Hartz-IV-Beziehern vorbei. Während die Zahl der Arbeitslosengeld-I-Empfänger auf unter 1 Million gesunken ist, leben noch immer knapp 5 Millionen Menschen vom Arbeitslosengeld II.“

Kaum jemand, der sich auch nur oberflächlich mit der Entwicklung im Arbeitsmarktbereich beschäftigt, wird dieser Analyse widersprechen. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt waren im Bereich des ALGI und bei qualifizierten Arbeitnehmern durchaus von einigem Erfolg gekrönt, auch wenn vieles davon durch die gute Konjunkturlage und die maßvollen Abschlüsse der Tarifparteien in der Vergangenheit bedingt wurde.

Im Bereich des ALGII hat jedoch keine nachhaltige Entwicklung stattgefunden. Maximal prekäre, oft schlecht bezahlte Beschäftigungsverhältnisse, waren für diesen Personenkreis zu realisieren.

In eine ähnliche Richtung geht der erste Deutungsversuch des IW. Was dann aber folgt ist nicht nur einseitig, sondern eine extrem einseitige Interpretation der Analyseergebnisse:„

Das liegt nicht zuletzt an fehlenden Anreizen, wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Warum auch, wenn das neue Einkommen nur geringfügig über der Stütze liegt? Wenn die Betroffenen arbeiten gehen, müssen sie sich nicht nur damit abfinden, dass ihnen die Transferleistungen gekürzt werden. Sie müssen auch Sozialabgaben und - ab einer bestimmten Einkommenshöhe - Steuern entrichten.

Mehr Arbeitsanreize würden entstehen, wenn kleine Einkommen weniger mit Steuern und Angaben belastet würden und mehr von der staatlichen Hilfe übrig bliebe. Um den Schritt ins Berufsleben zu erleichtern, müssten die bereits bestehenden Zuverdienstmöglichkeiten weiter ausgebaut werden. In die falsche Richtung weisen hingegen Mindestlöhne, die die ohnehin geringen Erwerbschancen der Geringqualifizierten noch mehr gefährden. Zwar kann der Staat eine untere Lohngrenze festlegen, er kann aber die Arbeitgeber nicht zwingen, zu diesen Löhnen Mitarbeiter einzustellen. So bleiben viele Stellen vakant, die sonst Arbeitlose aus der staatlichen Abhängigkeit geholt hätten.



Es liegt mit Sicherheit auch mitunter an fehlenden Anreizen, wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Es liegt aber auch an den fehlenden Arbeitsplätzen in weiten Gebieten Ostdeutschlands und anderen strukturschwachen Gebieten. Es liegt auch an fehlender Qualifikation und an einem zu schwachen sozialen Netz, das etwa über erweiterte Kinderbetreuungszeiten eine Arbeitsaufnahme erst ermöglichen würde.

Kurz, es liegt auch daran, dass der Bereich des „Förderns“ unterentwickelt ist und in einigen Gebieten schlicht die Arbeitsplätze fehlen.

Zudem negiert die Interpretation des IW-Autors auch die grundsätzliche Bereitschaft von Menschen auch zu sehr geringen Bezügen, und mitunter keineswegs über die Hartz-Sätze hinausgehender Entlohnung, tätig zu werden. Die hohe Zahl an Aufstockern, das heißt derjenigen, die über ihr Arbeitssalär noch Leistungen beziehen, damit sie in etwa dem Hartz-Regelsatz nahekommen, ist ein Beleg hierfür.

Der IW-Autor markiert als Lösungsmöglichkeit alleine eine Entlastung von Steuern und Abgaben. Steuern wird kaum ein gerade aus dem ALGII ausscheidender Arbeitnehmer in nennenswertem Umfang bezahlen, eine staatliche Kompensation für den Niedriglohnsektor gibt es bereits über die oben erwähnte Tendenz zum Kombilohn.

Die Vorschläge zur Umsetzung der Hartz-Reformen waren begleitet vom Beifall der arbeitgebernahen Institute, als die Maßnahmen, die den Arbeitsmarkt entscheidend flexibiliseren. Anstatt nun einer weitere Verlagerung für die Verantwortlichkeit für eine angemessenen Entlohnung (in mehr als einer Hinsicht) das Wort zu reden, sollte man doch einmal innehalten und gründlich neu nachdenken.

Eine Entlastung von Kosten in Form der Reduzierung der Abgaben zur Sozialversicherung ist in allen Fällen eine dauerhafte Entlastung der Unternehmen, ohne dass dies zu nennenswerten Neueinstellung führt, wie man an den jüngsten Entlastungen der Unternehmensseite in diesem Bereich erkennen kann. Wichtiger ist in dem einen wie dem anderen Fall eher die konjunkturelle Entwicklung, als staatliche Entlastungsaktionen. In der jetzigen Lage wird kaum ein Unternehmen einen Langzeitarbeitslosen einstellen, nur weil dieser oder jene Beitrag zu den Abgaben um 1 Prozentpunkt sinkt. Bei guter konjunktureller Entwicklung wird auch ein deutlich höherer Abgabensatz die Neueinstellungen nicht wesentlich behindern.

Ortungebunde Dienstleistungen und einfache manuelle Tätigkeiten sind schon lange über die Grenze gegangen. Ortsgebundene Dienstleistungen und hochwertige Arbeit können nicht substituiert werden.

So wie geschrieben, atmet die Presseerklärung des IW den Geist des Neoliberalismus, eines Geistes, der auf die Entfesselung der Marktkäfte setzt und für den Solidarität und Mindeststandards nur unerfreuliche Übel sind. Man lädt die Verantwortlichkeit einfach dem Staat auf, reduziert Menschen auf Kostenträger und gibt einem Geist Nahrung, der zu einem allenthalben unerfreulichen Trend nach unten führt.

Die Hoffnung bleibt, dass dieser üble Atem auch einmal vorüberzieht

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